Vertrauen zurück gewinnen und «No Shows» verhindern

    Wie schwer wird es künftig für den FC Basel mit dem Dauerkarten-Management?

    Der Dauerkartenverkauf beim FCB erlebt seit 2018 einen Einbruch. Und noch schlimmer war die hohe «No Show»-Rate von rund 30 Prozent kurz vor der Corona-Pandemie. Die Polemik um die Kundenbindung zwischen Fans und gewissen Clubexponenten gipfelte zuletzt in eine Rückstellungs- und Rückgabeaktion mehrerer Hundert Dauerkarten. Viele dürsten danach, endlich bald wieder ins Stadion zu gehen. Und dennoch besteht eine Gefahr, dass ein Teil der Fans wegbleiben könnten.

    (Bild: Kanton Basel-Stadt) Wie ist es mit der Fantreue, wenn man wieder ins Stadion darf? Man darf gespannt sein, wie es mit den Dauerkarten-Besitzer/innen weiter geht.

    Nach Jahren ohne Meistertitel waren noch vor Pandemieausbruch viele Heimspiele mit relativ überschaubarem Unterhaltungswert ein Ärgernis bei den Anhängern des FC Basel. Ebenso war eine latent spürbare Identifikationskrise bei einem Teil der hiesigen Fussball-Interessierten nicht weg zu leugnen. Diese hat sich in den letzten zwei Jahren und besonders in den letzten Monaten aus bekannten Gründen nun sogar verstärkt. Solche Begleiterscheinungen führen in «normalen Zeiten» zu so genannten «No Shows» und diese gehören zu den Hauptgründen, warum der FC Basel eine besondere Herausforderung vor der Brust hat: Rund 30 Prozent betrug die Quote vor Pandemieausbruch. Das heisst im Klartext: Im Schnitt kamen knapp über 7800 Personen mit Dauerkarte pro Partie jeweils nicht bei jedem Heimspiel ins Stadion. Noch unklar ist, wie es diesbezüglich in Zukunft sein wird. Fakt ist: Die «No Shows» gelten jeweils als Alarmzeichen für jeden Club und wird in der Regel von den Clubs nicht gerne proaktiv kommuniziert.

    Nun aber haben sich die Vorzeichen und die Gesamtsituation geändert. Mehr als ein Drittel werden in naher Zukunft eh nicht zugelassen im St. Jakob Park. Wenn überhaupt. Die Fans sind aber gierig nach Live-Fussball im Stadion. Und dennoch darf man das vor der Pandemie aufgetretene Problem nicht klein reden oder vergessen. Denn es war eines, welches auf eine Art Identifikationskrise fusste. Und diese ist heuer mehr denn je ein Thema.

    Enttäuschte «Mode Fans» und Identifikationsprobleme?
    Die Vorgeschichte: Die Ticketeinnahmen waren die letzten Jahre rückläufig, besonders im Vergleich zum letzten Meisterjahr. Von 28,5 Millionen auf 26,74 Millionen Franken sind sie gesunken. Seit 2014 gingen die Zuschauerzahlen leicht, aber stetig zurück. Ebenso verkaufte der FCB in der Tendenz leicht weniger Jahreskarten. Zuletzt waren es 21’157. Vor zwei Jahren erfolgte ein Einbruch, bei dem erstmals seit 2007 (19’965 Jahreskarten) die 20’000er-Marke unterschritten wurde. Ganz anders sah es vor 2020 beim grossen Rivalen, dem BSC Young Boys aus. Dieser hatte seinen Saisonkartenabsatz um satte 7000 Abonnenten gesteigert. Die Gründe für die Saisonkarten-Entwicklung beim FCB waren vielseitig: Einerseits sprangen viele so genannte «Mode Fans» ab, weil die Spiele und die Spannung im Kampf um die Meisterschaft nicht mehr so packend sind. Zudem war, wie schon erwähnt, ein latent vorhandenes Identifikationsproblem nicht weg zu leugnen. Die Absenz der letzten Jahre von der Champions League-Bühne und einmal sogar eine erste Nicht-Qualifikation für einen Europäischen Wettbewerb – was seit 17 Jahren nicht mehr passierte – hatte Spuren hinterlassen. Ausserdem: Die Anspruchsgruppen des FCB sind heterogener als je zuvor. Nun sind, nach einer Fan-Absenz von den Stadien, im Falle einer Zulassung von Zuschauern identifikationsbildende Massnahmen und ein «Retention Marketing» gefragt.

    Viele Saisonabo-Besitzer/innen sind keine traditionell-puristische Fans
    Das Phänomen der «No Shows» wurde schon vielfach untersucht. Auch in jener, die man hierzulande traditionell besonders genau verfolgt, besonders seitdem so viele Schweizer zu den Topspielern gehören: der Deutschen Bundesliga. Der Sportökonome Dominik Schreyer (WHU in Düsseldorf) forscht dazu. Sein Ansatz: Die Stadien wurden Anfang des Jahrtausends mehr als Eventlocations konzipiert. Einerseits waren es Vorgaben der Uefa und Fifa, andererseits wollen Stadionbetreiber eine Mehrfachnutzung etablieren. Die Stehplatzblöcke wurden kleiner, das Fassungsvermögen ebenso. Die Folge: Stadionbesucher/innen konnten sich nicht immer sicher sein, an der Tageskasse noch ein Ticket zu bekommen. Die Dauerkarte wurde eine Art Versicherung und es etablierte sich eine Mentalität die so beschrieben werden kann: «Ich kann jedes Spiel sehen, muss es aber nicht». Das seien die heutigen «No-Shows», bestätigt Dominik Schreyer in seinen Publikationen. Früher gaben zudem viele ihre Karte im Bekanntenkreis weiter. Heute ermöglichen die Vereine den unkomplizierten Austausch über von ihnen eingerichtete elektronische Börsen. Freie Sitze machen sich nicht gut im Fernsehbild. Sogar bei ausgebuchten Clubs kämen pro Heimspiel kurzfristig Hunderte Eintrittskarten in den freien Verkauf (Quelle: Merkur.de und diverse andere). Natürlich spielen auch die vielen Mode-Fans eine Rolle: Jene, die sich die teuren Saisonkarten leisten, verkraften auch ab und zu ein «No Show», weil es «nicht weh tut». Für «traditionell-puristische» Fussballfans wäre ein solches Verhalten nur in ausserordentlichen Fällen denkbar. Viele «No Shows» gründen aber auch auf den Fakt, dass gewisse Dauerkarten-Besitzer/innen gleich mehrere Saison-Abos besitzen und diese gezielt für Netzwerk-Zwecke einsetzen und somit selektiv zu den Spielen gehen.

    JoW

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